Die Celler Rotation

Hallo Andreas,

ich greife mal unseren Diskussionsfaden aus deinen anderen Fred auf – jetzt wo ich wieder etwas mehr Zeit habe, will ich gerne ein paar Zeilen zur Celler Rotation schreiben. Wie gesagt, finde ich gewisse Elemente aus der Celler Rotation sehr interessant, um in ggf. in die eigene Betriebsweise übertragen zu werden. In der „Reinform“ würde ich sie selbst nicht machen wollen, da hat nicht nur das BiV-Projekt (Betriebsweisen im Vergleich) Schwächen aufgezeigt – dass sind zum Teil ganz grundsätzliche Dinge, die man m.E. damals schon hätte besser machen können (Beispiel: Position des Drohnenrahmens). Außerdem erscheinen mir einige Dinge schlicht als Beschäftigungstherapie für Imker….

Ferner möchte ich auch nicht das gesamte „Kochrezept“ abtippen – mir geht es eher um eine kurze Darstellung des grundsätzlichen Procedere, mögliche Abwandlungen, mögliche Begründungen, ggf. „Fehler“, also Dinge, die man anders machen sollte. Wer es genau wissen will, möge im Originaltext des LAVES Celle im Downloadbereich nachschlagen – da gibt es auch noch viele andere spannende Texte.

Und das Lesen einschlägiger Bienen-Literatur sei hier auch noch einmal explizit ans Herz gelegt – wie sagte schon der Altmeister der Imkerei Freiherr August von Berlepsch (der „Erfinder“ des Rähmchens): „Drum lerne Theorie, sonst bleibst du ein praktischer Stümper – dein Leben lang.“

Grundlagen
Die Celler Rotation selbst greift verschiedene Elemente der alten Heideimker-Betriebsweisen mit Ihren „Lüneburger Stülpern“ auf und versucht diese auf eine Betriebsweise mit Magazinen zu übertragen (hier im Norden v.a. die Segeberger Beute). Ohne im Detail auch auf diese Betriebsweise einzugehen, ein paar Zeilen zum Geleit:
Die alten Heideimker haben ihre Stroh-Bienenkörbe („Stülper“) in sogenannten Lagden (Bienenzäunen) trocken und vor der Witterung geschützt aufgestellt. Die Heideimkerei war/ist eine Wanderimkerei, die die Früh- und Frühsommertrachten nutzte, um die Völker aufzubauen und stark zu vermehren. So wurde die Anzahl der Bienenvölker durch Vor- und Nachschwärme um etwa den Faktor drei während der Sommermonate vergrößert und dann nach der Heidehonigernte im September wieder um den Faktor drei reduziert zu werden. Da die Völker in den Lagden in rel. Großen Mengen räumlich stark konzentriert wurden, konnten sich Krankheiten schnell ausbreiten. Auch waren die Möglichkeiten der Beutendesinfektion in Strohkörben begrenzt!
Es wurden daher nach Möglichkeit nur diesjährige vitale Königinnen überwintert, und es wurde fast nur auf neuem, diesjährigem Wabenbau überwintert. Schon beim alten Ferdinand Gerstung (1905) kann nachgelesen werden, dass das Wachs der Heideimker ein besonders hohe Qualität hat und nach Möglichkeit anderen Wachsquellen vorgezogen werden sollte.

Die Celler Rotation
Ausgangsituation ist ein zweizargiges Vollvolk, mit dem man nach der Durchlenzung im Frühjahr in den Raps wandert. Dies Haupttracht soll a) eine reiche Honigernte bescheren, b) mind. zwei mit Mittelwänden ausgestattete Zargen abwerfen und c) (da es für das Volk unter diesen Umständen super läuft) sollten reichlich Bienen erbrütet werden.

Nach Einsetzten der Rapstracht läuft es zweigleisig weiter:
1.) Ende April / Anfang Mai werden aus diesem, wie auch aus den anderen Völkern (!!!) Brutwaben (eine!) entnommen, um die Völker leicht zu schröpfen. Aus mindestens sechs dieser Waben (= 6 Spendervölker!) wird ein Brutwabenableger (im Prinzip ein Starter) gebildet, aus dem für jedes der Vollvölker eine junge Königin gebildet wird (hier als so Königinnen, zzgl. Reservekönigin)
2.) Das Vollvolk wird bis zum Trachtschluss im Raps belassen, der Honig entsprechend geerntet und danach die beiden Honigräume geschleudert!

Würde jetzt (in der Trachtpause, ca. drei Wochen nach Bildung des Brutsammlers) nichts vom Imker unternommen werden, würden die vielen arbeitslosen Bienen im Vollvolk höchstwahrscheinlich auf dumme Ideen kommen, und aus Langeweile mit der Königin einen Ausflug machen (= Schwarm). Um dem zuvor zu kommen, wird ein Ableger gebildet. Hierzu wird in der Celler Rotation ein Treibling erstellt, d.h. es wird einer der Honigräume über Absperrgitter (ASG) aufgesetzt und ein Teil der Stockbienen mittels Smoker in den Honigraum getrieben.
Auf diese Weise werden dem Volk ca. 15.000 Bienen abgezwackt – lt. Celle in einer rel. guten Alterszusammensetztung, d.h. mit einem rel. hohen Anteil junger Stockbienen. Alte Königin, Drohnen und viele Flugbienen bleiben zurück.

Das zurück bleibende Vollvolk sollte durch den Schwund an Mannschaft weitere Gedanken ans Schwärmen aufgeben, da die normalen Aufgaben im geschrumpften Volk alle ausreichend auf Trab halten und jeder ausreichend Beschäftigung hat. Der zweite Honigraum wird wieder aufgesetzt und das Volk kann bei der Sommerhonigernte noch einmal zeigen, was es kann.

Die Bienen aus dem Treibling werden mit der jungen (mittlerweile begatteten) Königin aus dem Starter beweiselt und bilden das neue Wirtschaftsvolk für das nächste Jahr (biologisch entspricht das im Prinzip einem Nachschwarm). Dank Brutfreiheit kann dieses Jungvolk direkt nach Erstellung (in einem Kunstschwarmkasten, nicht im Honigraum!) sehr gut und erfolgreich z.B. mit Oxalsäure (oder Perizin!!!) gegen Varroa behandelt werden. Da bis dato nicht mit Brutaufzucht bzw. Nachschafftung beschäftigt war, startet es rel. „unverbraucht“ und motiviert in den Sommer und sollte sich bis zum Herbst locker zum Zweizarger entwickeln.

Nach der Sommerhonigernte im Juli wird das Altvolk abgeschafft, die Bienen (nach Varroabehandlung im Kunstschwarmkasten) dem Jungvolk zugeschlagen. Dieses hat dann mehr als reichlich Bienen (30.000), um gesunde Winterbienen im August/September großzuziehen. Und da man mit einem fast Varroa-freien Jungvolk gestartet ist, besteht die Chance (aber nur eine Chance!) um die Ameisensäure herumzukommen. Hauptentmilbung bleibt aber natürlich die Ox-säure im Dezember!

Der Brutsammler vom Mai bzw. die Brutwaben aus den Altvölkern werden auch zu Kunstschwärmen zusammengefasst, entmilbt und bilden die Völkerreserve, um eventuelle Winterverluste auszugleichen.

Kritikpunkte aus dem BiV-Projekt:
- dem Vollvolk fehlt es Ende Juni etwas an Mannschaft gegenüber den Vergleichsvölkern, die nach der modernen Hohenheimer Betriebsweise geführt wurden.
- der Drohnenrahmen ist falsch plaziert (in der unteren der beiden Bruträume, auf Position 1 und 11 – wenn man von der Segeberger Beute ausgeht)
- die Völker sind im Dezember, wenn die Winterbienen das Zepter übernommen haben und die Sommerbienen abgegangen sind, nicht stärker, als die aus Ein- bzw. Zweiwabenablegern gebildeten Jungvölker der modernen Hohenheimer Betriebsweise


meine Kritikpunkte:
- die Bildung eines Kunstschwarms über einen Treibling hat etwas von Beschäftigungstherapie. Bei Imkern mit vielen Völkern ist das doch etwas arg aufwändig.
- wie soll eine vernünftige Bewertung von Nachzucht würdigen Königinnen erfolgen, wenn diese kaum ein Jahr leben? Warum sollten gute Königinnen, die tolle Leistungen erbracht haben (und wohl auch noch erbringen können), pauschal gegen ungewisse Nachfolgerinnen ausgetauscht werden?
- wenn ich z.B. mit Inselköniginnen meine Genetik auffrischen oder beeinflussen will oder muss, habe ich ein Zeitproblem, da zum Zeitpunkt der Kunstschwarmbildung die Belegstellen gerade erst aufmachen!
- Einweiseln von jungen, kaum legefähigen Königinnen während der Schwarmzeit ist sub-optimal.
- Die Position des/der Drohnenrahmen in der unteren Zarge jeweils ganz außen basiert auf der Annahme, dass das Volk mit nahezu kugeligem Brutnest in der unteren Zarge sitzt und dort bleibt, da es über sich einen geschlossenen Honigdom aufbaut und diesen erhält. Außerdem wurde davon ausgegangen, dass die Drohnenbrut im Bienennest immer außen am Brutnest angeordnet wird, da Drohnenbrut nicht so hohe Temperaturen verträgt. Beide Annahmen sind schlicht falsch – das wusste man damals aber auch schon, siehe Prof. Seeley. (Anm.: Pollen-/Speckwaben schließen das Nest ab, und das Brutnest folgt dem Honig. Wird viel eingetragen, wandert es nach unten, wird wenig eingetragen, streckt es sich und wandert nach oben. Pfefferle nannte das die „Reizzone“, unter der sich das Brutnest variable erstreckt…. Daher ist die beste Position der Drohnenrahmen in der obersten Brutzarge auf den Position 2 und 10 (wieder von den Segebergern ausgehend; bei 10-rahmigen Zargen ansonsten 2 und 9)


Was ich gut finde an der Celler Rotation:
- konsequente Wabenhygiene, d.h. „standardmäßig“ bis zu 100% Wabenaustausch pro Jahr („nur“ 50% bei moderne Hohenheimer) gerade bei sich ausbreitenden Faulbrutsperrbezirken in Hamburg erscheint mir dies immer wichtiger zu werden.
- sehr erfolgreiche und rel. sichere Varroabehandlung mit sehr hoher Effizienz (Ox-säure in Winter- bzw. Schwarmtraube) –> keine Temperaturabhängigkeit, keine Ungewissheit, ob die Ameisensäure bis in die Brut gewirkt hat, oder ob der offene Honig die Ameisensäure neutralisiert hat…..
- ansatzweise vergleichbare Möglichkeit der Beurteilung der Schwarmträgheit von Königinnen, da mit (fast) ungeschröpften Völkern in der Frühtracht gearbeitet wird – ähnlich den Dadant-/Buckfast-Jungs.


Gedanken, die mir so gekommen sind:
- bei der Hohenheimer Betriebsweise werden meist zwei Brutwaben entnommen. Bei 3.000 Brutzellen pro DNM-Wabenseite sind das 2x Waben 2x Wabenseiten à 3.000 Bienen = 12.000 Bienen. Zzgl. den ansitzenden Bienen (2 dicht besetzte Waben à zwei Seiten mit je ca. 800 Bienen = 3.200 Bienen) macht ca. 15.200 Bienen, die einem Volk abgezwackt werden. Das entspricht dem Celler Kunstschwarm. Da die Celler aber Anfang Mai noch eine Wabe für die Kö-Zucht ziehen, wundert es nicht, dass das Vollvolk im Juni schlechter dasteht als das Hohenheimer Vergleichsvolk! Würde man zur Kö-Zucht z.B. keine Wirtschaftvölker, sondern Schwächlinge oder Mini-Plus-Völker heranziehen, sollte sich dieser Unterschied kompensieren lassen.
- Der Vergleich mit der Anzahl der Winterbienen im Dezember hinkt meines Erachtens, da die Hohenheimer Ableger doch sehr lange im Jahr (bis ca. Oktober) strapaziert werden, um ihre 10.000 Winterbienen zu erzeugen. Die Celler Bienen haben es da deutlich einfacher qualitativ hochwertige Winterbienen zu erbrüten, weil es einfach mehr Bienen um diese Zeit (August/September) im Volk hat. Das erscheint mir einfach Bienenfreundlicher, zumal gerade von den Hohenheimern starke Völker propagiert werden – nur bei den Ablegern empfehlen sie Mickerlinge.
- Anstelle des vorweggenommenen Nachschwarms wäre auch ein vorweggenommener Vorschwarm denkbar. In Form eines Totalfegling sehr einfach und wenig aufwendig. Hätte auch die erforderliche Stärke von 15.000 Bienen, wäre aber sehr motoviert und sofort selbst überlebensfähig - der Imker müsste da dann nicht wieder dran rumgängeln monatelang rumpäppeln. Und zu Trachtschluss könnte man sich dann in Ruhe überlegen, welche Kö in das nächste Jahr geht – Negativ-Selektion eben, als erste Stufe der „Zucht“ (Clemens mag hier großzügig über meine Wortwahl hinwegsehen ;-) )

to be discussed / continued ….


Euch allen eine erfolgreiche Saison


Arne